BRÜSSEL. Trotz iranischer Raketenangriffe auf US-Ziele im Irak, die am Donnerstagmorgen die Grünen Zone Bagdads trafen, scheinen sich die Spannungen zwischen den politischen Führungen im Iran und in den USA gegenwärtig im Vergleich zu den vorherigen Tagen zu entschärfen. Diese drohten nach der Ermordung des iranischen Generals Qasem Soleimani am 3. Januar, angeordnet durch Donald Trump, und den anschließenden Raketenangriffen der iranischen Führung auf wichtige irakische Stützpunkte, die US-Truppen im Irak beherbergen, zu eskalieren.

Zunächst führte Präsident Trump als Rechtfertigung für die Ermordung von Soleimani eine direkte Bedrohung durch Terroranschläge, die von dem Chef der Eliteeinheit der Quds Force des Korps der Islamischen Revolutionsgarden ausginge, an. Später sprach er von geplanten neuen Angriffen auf US-Ziele, für die Soleimani verantwortlich sei. Details oder Beleg für diese Aussagen liegen aber weiterhin nicht vor. Der US-Präsident verkündigte zudem über Twitter, dass er 52 Ziele im Iran angreifen könne, darunter auch Kulturstätten. Engin Eroglu, Europaabgeordneter der FREIE WÄHLER, Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten: "Nach der UN Charta ist Präsident Trump im höchsten Maße dazu verpflichtet internationalen Frieden und Sicherheit zu erhalten. Auch wenn Soleimani als mutmaßlicher Drahtzieher der multiplen Stellvertreterkriege der iranischen Führung jenseits der Grenzen der Islamischen Republik in der Verantwortung stand, ist seine gezielte Ermordung in dieser Form nur schwer mit dem Völkerrecht vereinbar. Ebenfalls hätten Angriffe auf Kulturstätten, wie wir sie auch durch den Islamischen Staat beobachten mussten, als Kriegsverbrechen gewertet werden müssen. Solche Äußerungen sowie das nicht-Einbeziehen und Informieren wichtigster Verbündeter und Partner über die drohenden Risiken für ihre Interessen, die sich aus der Ermordung von General Soleimani ergeben, durch einen US-Präsidenten sind nicht akzeptabel.“

Auch wenn Trump seine Entscheidung für die Tötung des iranischen Generals nun als Sieg verkündet hat und die iranische Führung zurückhaltend reagiert und behauptet, sie habe durch die militärische Operation Anfang der Woche ihre Vergeltungsmaßnahmen abgeschlossen, bedeutet das nicht, dass kein Sicherheitsrisiko mehr besteht.

Eroglu erklärt: „Das Schlimmste scheint vorerst abgewendet, aber die Reaktion kann in Phasen erfolgen, das wissen wir noch nicht. Und diese Phasen können sich vorerst noch verstärken oder abschwächen. Das Vorgehen der iranischen Führung erlaubt es ihr zudem, ihre Beteiligung zu leugnen, falls Stellvertreter eigene Angriffe starten. So scheint es wahrscheinlich, dass die iranische Regierung bis nach den islamischen Trauerfeierlichkeiten in 40 Tagen warten wird und über ihre in der ganzen Region verstreuten Vertreter und Verbündeten an weiteren Plänen arbeitet. Genau darüber müssen wir uns in den kommenden Wochen und Monaten Sorgen machen.“

Die internationalen Reaktionen auf die Krise waren bis jetzt vielfältig und mahnten zumeist zur Deeskalation zwischen den Akteuren. Während in diesem Zusammenhang oft einseitig Partei ergriffen wird mahnt Eroglu: „Es bringt in diesem Fall nichts Partei für eine der beiden Seiten zu ergreifen. Welche mittel- und langfristigen Konsequenzen der Anschlag auf Soleimani nach sich ziehen werden, bleibt schwer absehbar. Was aber zu erwarten scheint, ist, dass was auch immer geschieht, es unwahrscheinlich ist, dass es im Iran oder in den USA ausgetragen wird. Im Endeffekt werden, wie auch jetzt schon im Irak, wo sowohl die US-Führung als auch die Führung des Irans die Souveränität des Iraks gefährdet haben und Iraker getötet wurden, die lokalen Bevölkerungen die Leidtragenden sein. Weder der Irak, noch ein anderes Land haben es verdient, Opfer eines Stellvertreterkrieges zu werden.“

Als Reaktion auf die jüngsten Entwicklungen und die sich verschlechterte sicherheitspolitische Lage im Irak hat auch die Bundesregierung beschlossen die Truppenstärke der Bundeswehr dort zu verringern. Auch eine nicht bindende Abstimmung im irakischen Parlament forderte unlängst den Abzug ausländischer Truppen aus dem Land. Eroglu möchte dabei sogar noch weitergehen: „Im Angesicht der gegenwärtigen Sicherheitslage im Irak und den Äußerungen des irakischen Parlaments sollten wir unser gesamtes dort stationiertes Bundeswehrkontingent vorübergehend abziehen und nach Kuwait verlegen. Wenn absehbar ist, dass sich die Lage im Irak beruhigt und die irakische Regierung dies befürwortet, sollte die Bundeswehr die irakischen Einsatzkräfte wieder durch Ausklärungs- und Ausbildungsmissionen unterstützen.“

Destabilisierende Aktivitäten in der Region durch die iranische Führung, insbesondere in Syrien, Jemen und Libanon, haben sich in letzter Zeit verstärkt. Gleichzeitig stand die politische Führung zuletzt wegen ihres brutalen Vorgehen gegen die eigene Zivilbevölkerung in der Kritik. Eroglu kritisiert zudem den Mangel an kohärenten Botschaften, die von der US-Führung ausgehen sowie die Untätigkeit der UN und EU zur Vermittlung. Eroglu: „Eine echte Politik der Deeskalation würde voraussetzen, dass sich Trump der Realität stellt, dass seine Kampagne des maximalen Drucks im Falle des Irans gescheitert ist. Seit sich Präsident Trump im Mai 2018 einseitig aus dem Iran Deal zurückzog, hat die Trump-Administration keine kohärente Strategie, um das iranische Atomprogramm einzuschränken oder andere Aspekten des konfessionellen Expansionismus und militärischen Provokationen der iranischen Regierung entgegenzuwirken. Dazu kommt die Unfähigkeit der EU und der UN, Gespräche zwischen den Regierungen des Iran und der USA zu vermitteln oder den international bindenden Nuklearvertrag zu retten.“