Als Teil seines Wahlkampes kündigte Regierungschef Netanjahu heute an, Israels international umstrittene Siedlungspolitik ausbauen zu wollen. Dieser Plan würde 800 neue Wohnungen für jüdische Siedler im Westjordanland umfassen. Doch nach internationalem Recht gelten diese Siedlungen als illegal und ein Großteil der internationalen Gemeinschaft betrachten sie als das Haupthindernis für eine tragfähige Zwei-Staaten-Lösung. Zuletzt bezeichnete der UN-Sicherheitsrat im Jahr 2016 diese Ansiedelungen als „Verbrechen gegen internationales Recht“.

 

Hinzu kommt, dass Netanjahus Ankündigung nur wenige Tage vor der Amtseinführung von Joe Biden am 20. Januar kommt.  Im Gegensatz zu Donald Trump hat sich Biden in der Vergangenheit kritisch zur israelischen Siedlungspolitik geäußert. Dieses Voranpreschen wird daher voraussichtlich auch zu Spannungen mit der kommenden Biden-Administration führen.

 

Auch wenn Netanjahus Anordnung, den Siedlungsbau voranzutreiben, noch nicht endgültig ist (der Prozess muss mehrere bürokratische Phasen überstehen, bevor mit dem Bau begonnen werden kann), ist es ein gefährlicher Schritt. Denn ein solches Vorhaben wiederspricht nicht nur internationalem Recht, sondern ist auch nicht förderlich, um die Wiederaufnahme von Verhandlungen, die der einzige Weg zu einer Zweistaatenlösung sind, voranzutreiben.

 

All das geschieht während die israelische Regierung bereits in der Kritik bezüglich der Verteilung des COVID-19-Impfstoffes steht. Nachdem bereits mehr als ein Zehntel der israelischen Bevölkerung geimpft wurde, wird Israel als das Land gefeiert, das bisher die größte Impfabdeckung im Verhältnis zu seiner Bevölkerungsgröße erreicht hat. Der Plan zur Einführung des COVID-19-Impfstoffs umfasst jedoch bisher nur die Bürger Israels, einschließlich der israelischen Siedler, die im Westjordanland leben, und der palästinensischen Einwohner von Jerusalem. Er schließt somit die fast 5 Millionen Palästinenser aus, die im Westjordanland und im Gazastreifen unter israelischer Militärbesatzung leben. Damit kommt Netanjahu Israels Verpflichtungen unter gemäß Artikel 56 der Vierten Genfer Konvention des humanitären Völkerrechts nicht nach. Denn Israels Regierung muss sicherzustellen, dass der Impfstoff unverzüglich und ohne Diskriminierung auch an die palästinensische Bevölkerung verteilt wird. Niemandem darf der Zugang zu medizinischer Versorgung, einschließlich Impfstoffen, aufgrund seiner Herkunft oder seines Wohnortes verwehrt werden.