TAIWAN | FW-Europa Infobrief

Nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine wissen wir, dass Waffenlieferungen einen erheblichen Anteil daran haben können, ob sich ein militärisch unterlegener Staat aus eigenen Kräften gegen einen Angriff zu wehren vermag oder nicht. Kritiker derartiger Waffenlieferungen argumentieren oft, dass viele Verteidigungswaffen, darunter auch Luftabwehr- und Panzerabwehrraketen, in einem Konflikt durchaus auch zur Offensive genutzt und somit zur Eskalation beitragen könnten. Gleichzeitig kann man aber auch argumentieren, dass ein „aufgerüsteter“ kleiner Staat somit abschreckend auf einen militärisch überlegenen Aggressor wirkt, was wiederum einen bewaffneten Konflikt von vornerein verhindern kann.

Genau diese Situation stellt sich aktuell in Taiwan dar. Etliche Drohgebärden aus Peking dienen seit langer Zeit als Mittel der Einschüchterung für den Inselstaat in Ostasien. Besonders in der sogenannten Taiwanstraße, der etwa 130km breiten Meerenge, die Taiwan vom chinesischen Festland trennt, führt Peking in letzter Zeit vermehrt Drohmanöver durch Marine und Luftwaffe aus. Insbesondere der Besuch von Nancy Pelosi Anfang August hatte zu weiteren Spannungen geführt, schließlich möchte die chinesische Regierung den Austausch zwischen Taiwan und anderen Demokratien möglichst unterbinden. Ich bin der Meinung, dass wir als Europäer an der Seite von Taiwan stehen müssen und dass die dort herrschende Demokratie und Kultur unbedingt schützenswert sind. Es kann und darf nicht sein, dass Großmächte wie Russland und China durch völkerrechtswidrige Annexionen Krieg in der Welt stiften und somit schlussendlich auch uns alle bedrohen. Deshalb setze ich mich als Europaabgeordneter der FREIE WÄHLER dafür ein, dass auch Taiwan ein Recht auf Verteidigung durch Waffenlieferungen und finanzielle Unterstützung der EU-Staaten bekommen sollte. US-Präsident Joe Biden bereitet derzeit einen 1,1 Milliarden US-Dollar schweren Waffendeal vor, der dem Kongress zur Abstimmung vorgelegt werden soll. Es ist Zeit, dass die Europäische Union in der Taiwan-Krise ähnlich schnell und geschlossen handelt, wie sie es im Ukraine-Krieg getan hat. Beispielsweise verkündete die Kommission Ende Juli Investitionen von 500 Millionen Euro in die europäische Rüstungsindustrie. Dies könnte ein guter Ansatzpunkt sein, auch Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen, um das Land dazu zu befähigen, sich selbst zu verteidigen. Diese Unterstützung durch die EU zu steuern hätte zudem den Vorteil, dass die chinesische Regierung keine einzelnen Mitgliedstaaten mit (wirtschaftlichen) Strafmaßnahmen belegen könnte – eine Sorge, die leider viele EU-Länder noch allzu zurückhaltend gegenüber China auftreten lässt. Diesmal haben wir die Chance, einen weiteren bewaffneten Konflikt gar nicht erst entstehen zu lassen!

Darüber hinaus gilt es, auch die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit Taiwans zu unterstützen und zu stärken. Die taiwanesische Firma Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC) ist der weltweit größte Hersteller von Halbleiterprodukten und erster Ansprechpartner von Apple, AMD und Co., wenn fortschrittliche Mikrochips benötigt werden. Seit vergangenem Jahr war auch öfter die Rede davon, dass TSMC ein neues Werk in Europa bauen wollte. Auch Dresden war als möglicher Standort im Gespräch, allerdings hat sich TSMC Anfang Juni vom Projekt einer europäischen Halbleiterfabrik verabschiedet. Maßgeblich dafür verantwortlich ist der Mangel an Anreizen von Seiten der EU, womit man hier eine günstige Gelegenheit der fruchtbaren Zusammenarbeit verpasst hat. Grund war das Ziel der proklamierten strategischen Autonomie. Zwar ist es richtig, die Lehren aus der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg zu ziehen und sich unabhängiger von Peking zu machen, jedoch sollte Taiwan als demokratischer Staat dabei eine gesonderte Rolle einnehmen. Ich plädiere dafür, Taiwan nicht nur durch konkrete finanzielle Unterstützung bei Waffenlieferungen zu helfen, sondern auch der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Europäischer Union und dem Inselstaat eine größere Relevanz beizumessen.

Die Zeit zum Handeln ist jetzt und nicht erst, wenn eine weitere Demokratie und das Leben ihrer freien Bürger durch den Angriff einer autoritären Großmacht vor der Vernichtung stehen.